2. Schritt: Organigramme

Organigramme? Dafür gibt es doch schon ein Tool bei meinem Hersteller!

Korrekt, alle in der Bundesverwaltung eingesetzten Tools bieten eine herstellerspezifische Modellierung für Organigramme an. Warum also sollte jemand auf die Idee kommen, Organigramme in ArchiMate zu modellieren?

Die Antwort ist nicht ganz einfach zu verstehen. Sie ist noch weniger einfach zu beschreiben. Tatsächlich bin ich im ersten Versuch gescheitert, weil der Artikel zu schnell zu kompliziert wurde. Deshalb werde ich jetzt erst einmal die Grundlagen legen, um dann in den nächsten Schritten nach und nach auf die Vorteile der Abbildung von Organigrammen im Zusammenhang mit weiteren Aspekten einzugehen.

Zuerst einmal ein paar grundsätzliche Überlegungen zu Organigrammen: Organigramme entstammen einer „kästchenbezogenen“ Denkweise. Dabei wird der Zuschnitt von Organisationseinheiten in einer Behörde nicht entlang von Aufgaben und Abläufen entwickelt, sondern anhand von scheinbaren Themenzusammenhängen. Diese Themenzusammenhänge sind häufig konstruiert. In der Folge stellt man regelmäßig fest, dass die Organisation nicht zufriedenstellend funktioniert, und strukturiert um. Wenn in Ihrer Behörde in den letzten 10 Jahren mindestens zwei großflächige Reorganisationen stattgefunden haben, oder sich Organisationseinheiten fingerzeigend gegenüberstehen und gegenseitig blockieren, sind auch Sie wahrscheinlich Opfer des Kastendenkens geworden.

Was ist am Kastendenken denn problematisch, oder: warum geht das so häufig daneben? In der Regel werden die Kästen „von oben“ entwickelt, d. h. von Personen, die „über den Dingen schweben“ und die „Mühen der Ebene“ gar nicht kennen. Dieses mangelnde Detailwissen führt zu teils irrigen Annahmen oder falschen Vereinfachungen, die dann in die Kästchen mit einfließen.

ArchiMate hilft hier, eine neue Sichtweise auf Organisationen zu entwickeln. Das liegt vor allem daran, dass ArchiMate dieselben Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven (Sichten oder Views) beleuchtet. Die Veränderung ist so bahnbrechend wie die, dass die Erde keine Scheibe und der Mond kein gigantischer Käselaib ist, der am Himmel seine Bahnen zieht. Die neue Sichtweise ist wiederum eine notwendige Voraussetzung für alle Verheißungen der heutigen Zeit, wie agiles Vorgehen und Digitalisierung.

Das ist jedoch bislang ziemlich abstrakt. Worin besteht die Sichtweise, und was verändert sie? Dieser Frage werden wir in diesem und den nächsten Schritten nachspüren. Als Basis werde ich das BMI-Organigramm mit Stand März 2023 in Ausschnitten verwenden.

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© BMI DV

Die Grafik links stellt einen Ausschnitt aus dem BMI-Organigramm Stand März 2023 dar. Gezeigt wird die Abteilung DV, die aus den Unterabteilungen DV I und DV II besteht. Betrachten wir zuerst einmal die neu eingeführten Elemente.

„Das Element Akteur (Business actor) beschreibt eine (Organisations-)Einheit, die in der Lage ist, geschäftsbezogene Tätigkeiten (Business behavior) zu erledigen. Im Regelfall wird ein Akteur die Tätigkeiten durchführen, die zu einer oder mehreren Geschäftsrollen gehören. Diese Trennung zwischen Akteur und Rolle ist wichtig, weil jeder Akteur mehr als eine Rolle ausführen kann, und jede Rolle von mehr als einem Akteur wahrgenommen werden kann.“

Akteure sind Organisationseinheiten oder Menschen im Sinne von Individuen oder Gruppen. Die Bezeichnung eines Akteurs sollte immer ein Hauptwort (oder mehrere zusammengehörende Hauptworte) sein.

Der Akteur wird durch ein Strichmännchen dargestellt.

Die Verbindung zwischen Unterabteilung und Abteilung wird durch die bereits bekannten Kompositionsverbindung hergestellt, d. h. die Abteilung besteht aus ihren Unterabteilungen. Die Darstellung erfolgt hier mit sichtbaren Verbindungen in Anlehnung an die bekannten Organigramme. Die Verbindungen können auch übereinandergelegt werden, um das Aussehen noch mehr an die bisherigen Grafiken anzunähern.

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© BMI DV

Die Zuordnung kann jedoch auch durch eine Verschachtelung der Elemente ineinander dargestellt werden. Es handelt sich lediglich um eine andere Sicht auf den bekannten Sachverhalt. Zieht man eine Unterabteilung in die Abteilung, dann wird aufgrund der vorhandenen Kompositionsverbindung gar nicht mehr nach einer Verbindung gefragt.

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© BMI DV

Gehen wir von dem aktuellen Stand aus weiter nach unten in der Hierarchie. Auch die Verbindung zwischen den Referaten und den Unterabteilungen ist wiederum eine Komposition. Die Referate werden ebenfalls als Akteure dargestellt. Die Verbindungen sind wieder unsichtbar, weil die Referate innerhalb der Unterabteilung dargestellt werden. Natürlich ist auch die klassische Ansicht mit den Linien erlaubt. Welche gewählt wird, hängt von den Anforderungen an die Darstellung und den persönlichen Vorlieben ab. Ich bevorzuge eher die linke Form mit den integrierten Referaten, weil man bei der rechten Form mit viel Aufwand die Verbindungen in die richtige Position bringen muss.

Bislang scheint sich gegenüber dem klassischen Organigramm noch kein Vorteil abzuzeichnen, oder? Der Unterschied wird in den folgenden Schritten zutage treten.

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© BMI DV

Noch ein kleiner Exkurs für Fortgeschrittene: Bislang habe ich mich auf die mittlere Führungsebene beschränkt. Wie sieht es jedoch mit der oberen Führungsebene aus? Ist eine Abteilung Bestandteil der Behördenleitung?

Die Behördenleitung ist nicht die Organisation, sondern auch eine Organisationseinheit innerhalb. Daher ergibt eine Kompositionsverbindung wenig Sinn. Am Beispiel des Staatssekretärs kann das deutlich gemacht werden. Da ein Staatssekretär trotz seiner Vorgesetztenfunktion gegenüber einem Abteilungsleiter nicht aus den Abteilungen zusammengesetzt ist, kommt hier eine andere Verbindung zum Einsatz:

„Die unterstützende Verbindung (Serving relation) beschreibt, wie Dienste oder Schnittstellen, die von einem Verhalten oder einem aktiven Strukturelement (wie dem Akteur) angeboten werden, den jeweiligen Gegenparts in ihrer Umgebung dienen. Es beinhaltet eine Kontrollfunktion des übergeordneten Elements.“

Damit kann die Verbindung zwischen der oberen Führungsebene und der in der Organisation verankerten Abteilung auch besser dargestellt werden als mit einer Aggregation, die diese Kontrollfunktion nicht enthält.

Die unterstützende Verbindung wird als einfacher Pfeil mit einer aus zwei orthogonalen Linien bestehenden Spitze dargestellt.

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Stand 23.01.2025