7. Schritt: Prozesse im Fluss

Wer schon einmal in BPMN ein Kollaborationsdiagramm erstellt hat, weiß um die Schwierigkeiten, die Zusammenarbeit klar und eindeutig darzustellen. ArchiMate kann hier unterstützen.

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In BPMN lassen sich mit Kollaborationsdiagrammen Zusammenhänge zwischen Prozessen grundsätzlich abbilden. Die Aussagefähigkeit ist jedoch nicht für jede Zielgruppe ausreichend. Das Kollaborationsdiagramm visualisiert, an welchen Stellen in einem Prozessfluss „etwas“ empfangen / versandt wird. Es steht die Kollboration zweier Prozesse im Vordergrund. Es kann jedoch nicht ausdrücken, warum kollaboriert wird, bzw. was genau ausgetauscht werden soll.

Als Beispiel soll uns der schwäbische Häuslebauer dienen, der ein Bauantragsformular ausfüllt und es an eine Behörde sendet. Die Behörde funktioniert dabei als Black Box, d. h. man kennt die Prozesse nicht. Deshalb wird sie als geschlossener Pool dargestellt. In Abhängigkeit von der Antwort kann dann der Häuslebauer entweder sein Haus bauen, oder muss den Hausbau verschieben und in langwierige Widerspruchsprozesse gehen.

Das Antragsformular lässt sich in BPMN als Datenobjekt gut darstellen. Schon beim Übergang zwischen „Bauantrag ausfüllen“, wo das Datenobjekt entsteht, und „Antrag absenden“ stellt sich schon die Frage, ob das Datenobjekt vielleicht nur in eine Reihe von weiteren Objekten eingebettet versandt wird. Wie stellt man das in BPMN dar?

Zudem kommt von der Baubehörde ein Datenobjekt zurück, nämlich der Bescheid. BPMN erlaubt mir allenfalls, den Bescheid an das Nachrichtenstartereignis „Antwort eingetroffen“ zu hängen, mit einem davon ausgehenden Pfeil. Das ist jedoch semantisch nicht korrekt, weil der Bescheid einerseits nicht durch das Ereignis entsteht, und andererseits das Ereignis auslöst, also als eingehender Pfeil modelliert werden müsste.

Wie kann uns ArchiMate dabei helfen, hier klarer zu werden?

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Das Bild zeigt drei Prozesse inklusive der zugewiesenen Rollen, die über eine Flussverbindung miteinander verbunden sind. Vom Prozess „Bauantrag stellen“ fließt etwas zum Prozess „Bauantrag genehmigen“, und von dort fließt etwas zum Prozess „Haus bauen“ (die Ablehnung habe ich aus Vereinfachungsgründen ausgeblendet, sie wäre ein weiterer Prozess).

„Die Flussverbindung (Flow relationship) wird benutzt, um z. B. den Fluss von Informationen, Gütern oder Geld zwischen Aktivitätselementen zu modellieren. Sie impliziert dabei weder kausale noch zeitliche Zusammenhänge.“

Viel interessanter ist jedoch eine Fähigkeit von ArchiMate, nicht nur Elemente untereinander zu verbinden, sondern auch Elemente mit Verbindungen zu verbinden. In diesem Fall haben wir bei der ersten Flussverbindung ein Geschäftsobjekt Bauantrag, das aus zwei Unterobjekten Antragsformular und Bauplan besteht, assoziiert. Ebenso haben wir bei der zweiten Flussverbindung ein Geschäftsobjekt „Baugenehmigung“ mit der Verbindung assoziiert.

„Ein Geschäftsobjekt (Business Object) stellt einen Begriff dar, der in einer spezifischen Geschäftsdomäne verwendet wird. Es wird verwendet, um einen Objekttypen zu modellieren, von dem mehrere Instanzen innerhalb einer Organisation existieren können. Es kann von anderen Geschäftsobjekten spezialisiert werden.“

Das Geschäftsobjekt ist gelb und hat oben einen nicht ausgefüllten Balken über die gesamte Breite.

Geschäftsobjekte sind passiv, d. h. sie lösen keine Prozesse aus und führen sie nicht durch. Sie können von Prozessen, Funktionen, Leistungen oder anderen Aktivitätselementen verwendet werden. Ein Geschäftsobjekt kann mit anderen Geschäftsobjekte über Verbindungen vom Typ Assoziation, Aggregation, Spezialisierung oder Komposition verbunden sein.

Der Name eines Geschäftsobjekts sollte ein Hauptwort sein.

Interaktionen

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„Eine Geschäftsinteraktion (Business Interaction) stellt eine Einheit von kollektiven Geschäftstätigkeiten dar, die von mindestens zwei Akteuren oder Rollen durchgeführt werden. Die Geschäftsinteraktion ist dem Prozess oder der Funktion ähnlich, aber während ein Prozess bzw. eine Funktion von einer einzelnen Rolle ausgeführt werden, stellt die Interaktion immer die Zusammenarbeit zwischen mindestens zwei Rollen dar. Die Interaktion kann auf Geschäftsobjekte zugreifen. Sie kann Leistungen realisieren oder Funktionen verwenden.“

Mit der Geschäftsinterkation stellen wir das eingangs gezeigte BPMN-Kollaborationsdiagramm als ArchiMate-Diagramm dar. Das soll jetzt nicht zu der Vorstellung verleiten, dass ArchiMate BPMN ablösen könne - beide Notationen haben ihren Sinn und ihren Nutzen. Es zeigt lediglich, dass man mit ArchiMate andere Aspekte desselben Sachverhalts verdeutlichen kann als mit BPMN. Insofern hängt es von der Zielgruppe und der gewünschten Aussage ab, wie ein Sachverhalt modelliert wird.

Zudem sollte hier gezeigt werden, dass die Interaktion sich ausschließlich auf die Genehmigung bezieht und nicht mehr auf den eigentlichen Hausbau.

Vorläufer und Nachfolger

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Im Attributkatalog BPMN für die Stufe Basis sind zwei Attribute definiert: Vorgängerprozess-Referenz und Nachfolgerprozess-Referenz. Mit diesen lassen sich an einem Start- bzw. Ende-Ereignis die jeweils zugehörigen Haupt-Prozesse verbinden. Für Teilprozesse sind sie jedoch nicht gedacht bzw. funktionieren auch nicht. Es ist also nicht möglich, einen Haupt-Prozess damit sinnvoll in Teilprozesse aufzubrechen.

Die Flussverbindung im ArchiMate impliziert keine zeitlichen Zusammenhänge, d. h. es muss kein zeitlicher Zusammenhang vorhanden sein, sie verbietet sie aber auch nicht, d. h. es kann ein zeitlicher Zusammenhang damit ausgedrückt werden.

Auch hier gilt: erst denken, dann modellieren. Wenn nur zwei Prozesse miteinander verbunden werden, oder die Information nur im Rahmen einer Auswertung benötigt wird, reicht die Darstellung im Attribut völlig aus. Der Aufwand für eine grafische Modellierung ist nur dann wirtschaftlich darstellbar, wenn z. B. komplexe Zusammenhänge zwischen mehreren Prozessen visualisiert werden sollen.

Auch für diesen Fall ist die Flussverbindung ideal, egal ob mit oder ohne assoziierten Geschäftsobjekten.

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Stand 23.01.2025