9 | Qualitätsmanagement
Qualitätsmanagement umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, eine festgelegte Qualität bei den geplanten Projektergebnissen bzw. Lösungen sicherzustellen. Ein gutes Qualitätsmanagement hilft dabei, dass Kundschaft und Stakeholderinnen und Stakeholder zufrieden sind. Darüber hinaus sichert ein gutes Qualitätsmanagement die Einhaltung von Zeit- und Budgetplänen. Mit der Vermeidung bzw. der frühzeitigen Reaktion auf Defekte und Fehler können teure Nacharbeiten eingespart werden.
9.1 Ziele des Moduls
Das Qualitätsmanagement verfolgt zwei Hauptziele:
- Die Qualität der Projektergebnisse und -prozesse sicherzustellen.
- Einheitliche Qualitätsstandards in der Gesamtprojektorganisation zu etablieren.
9.2 Umsetzungsprozesse
9.2.1 Initialer Prozess „Grundlagen für das Qualitätsmanagement schaffen“
1. Organisation, Prozesse und Rahmenbedingungen für das Qualitätsmanagement festlegen
- Rollen und Verantwortlichkeiten des Qualitätsmanagements festlegen: In Großprojekten ist eine auf allen Ebenen und in allen Teilprojekten verankerte durchgängige Organisation für das Qualitätsmanagement Die beteiligten Rollen und Verantwortlichkeiten werden gemäß Kapitel „Rollen“ festgelegt. Umgesetzt wird das Qualitätsmanagements durch die in der S-O-S-Methode definierte Qualitätssicherung.
Zu Beginn des Projekts ist eine genaue Abstimmung darüber erforderlich, welche Vorgaben sich aus dem Qualitätsmanagement der Organisationseinheit für das Projekt ergeben. Daraus sollten sich Zuständigkeiten und Verantwortung zwischen Qualitätsmanagement des Projekts und Qualitätsmanagement der Organisationseinheit ableiten lassen. Es sind verbindliche Rahmenbedingungen und ein definierter Handlungsspielraum zur Erreichung der Qualitätsziele im Projekt zu vereinbaren. Typischerweise finden im Laufe des Projekts Audits durch das Qualitätsmanagement der Organisationseinheit statt, die die Einhaltung der abgestimmten Vorgaben prüfen.
- Prozesse des Qualitätsmanagements festlegen: Die für das Qualitätsmanagement notwendigen Prozesse werden bestimmt und dokumentiert. Das Zusammenspiel der Planung der Qualitätssicherungsmaßnahmen mit der Projektplanung wird definiert. Die Integration der Qualitätsberichterstattung in die Statusberichte des Gesamtprojekts wird festgelegt.
Zusätzlich wird festgelegt, wie die Berichterstattung innerhalb der Qualitätsmanagement-Organisation von Ebene zu Ebene des Projekts organisiert ist, sodass auf oberster Ebene eine konsolidierte, verdichtete Einschätzung der Gesamtqualität möglich ist.
- Rahmenbedingungen für das Qualitätsmanagement festlegen: Für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement sollte die Unabhängigkeit sichergestellt sein. „Unangenehme“ Auffälligkeiten bzw. Fehler werden so ungeachtet von persönlichen Interessen aufgedeckt. Aufgrund der Komplexität und Anzahl werden im Großprojekt die Eskalationen jeweils auf die nächsthöhere Ebene des Projekts kommuniziert. Dabei kann an die verantwortlichen Mitarbeitenden der Projektleitung (Projektmanagement und Gesamtprojektleitung) und/oder an die verantwortlichen Mitarbeitenden der Qualitätsmanagement-Organisation (QS-verantwortliche Personen) eskaliert werden.
Ein effektives und wirksames Qualitätsmanagement erfolgt nicht nur auf Führungsebene, sondern zeichnet sich ebenso durch eine Aktivierung des Qualitätsbewusstseins aller Projektmitarbeitenden aus. Deshalb sollten bereits in den Rahmenbedingungen die Grundsteine gelegt werden, dass sich alle Mitarbeitenden ihrer persönlichen Verantwortung und ihres Beitrags zur Erreichung der Qualität bewusst werden. Dazu wird im Projekt regelmäßig über Aktivitäten und Bedeutung des Qualitätsmanagements und über konkrete, messbare Qualitätsziele gesprochen. Hilfreich ist die Verankerung von Qualitätszielen in Zielvereinbarungen der verantwortlichen Mitarbeitenden, neben (Teilprojekt-)QS-verantwortlichen Personen sind das insbesondere die Verantwortlichen der Gesamtprojektleitung, des Projektmanagements und der Teilprojektleitung.
2. Qualitätsziele und -kriterien festlegen
Aus den Vorgaben für das Projekt (Projektcharta, Projektmanagementplan u.a.) sind die im Projekt zu erreichenden Qualitätsziele abzuleiten. Nur selten sind den Vorgaben konkrete, messbare Qualitätsziele direkt zu entnehmen, vielmehr sind diese Ziele implizit auf sehr abstraktem Niveau in den Vorgaben enthalten.
Die Qualitätsziele sind für alle Dimensionen der Vorgaben zu formulieren (Aufwand, Budget, Termine, Inhalt, Nutzen) und werden im Qualitätsmanagement-Handbuch dokumentiert. Zu jedem Qualitätsziel werden messbare Qualitätskriterien angegeben, die es erlauben, die jeweilige Zielerreichung zu ermitteln. Wichtig ist die genaue Definition messbarer Kriterien, die für die Einordnung der Qualität in den unterschiedlichen Teilprojekten gilt (Definition von „Ampelfarben“).
Sind die Qualitätsziele und -kriterien nicht bereits in den Vorgaben für das Projekt verankert, müssen sie zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite abgestimmt und vereinbart werden. Eine Aufnahme in die Projektcharta ist sinnvoll, sodass im Verlauf des Projekts immer wieder darauf Bezug genommen werden kann.
3. Betrachtungsgegenstände und Qualitätssicherungsmaßnahmen identifizieren
Aus dem definierten Projektumfang ergeben sich die Betrachtungsgegenstände des Qualitätsmanagements. Es handelt sich sowohl um die vom Projekt zu erstellenden Ergebnisse (Konzepte, Software, Hardware etc.) als auch um die Projektprozesse (z. B. Stakeholder-Analyse, Risikomanagement), die zur Erstellung der Ergebnisse aufgesetzt werden. Dazu zählen auch die in diesem Dokument beschriebenen Prozesse der einzelnen Projektmanagement-Module. Vorgaben und Checklisten, wie weiter unten erläutert, geben hierzu Hilfestellung.
Grundsätzlich kann zwischen konstruktiven und analytischen Qualitätssicherungsmaßnahmenmaßnahmen unterschieden werden:
- Konstruktive Qualitätssicherungsmaßnahmen sorgen dafür, dass die Qualitätsziele von Beginn an bei der Erstellung der Ergebnisse oder dem Aufsetzen der Prozesse berücksichtigt werden. Die Qualität wird sozusagen „hineinkonstruiert“. Zu diesen Maßnahmen zählt auch die Beachtung angemessener Verfahren, Methoden und Werkzeuge. Was hier versäumt wird, lässt sich später (bei den analytischen Maßnahmen oder gar erst im Betrieb) oft nicht mehr oder nur mit sehr hohem Aufwand nachholen. Zu den konstruktiven Maßnahmen für erfolgreiche Projektprozesse gehört die Einhaltung der Hinweise und Vorlagen aus der S-O-S-Methode.
- Analytische Qualitätssicherungsmaßnahmen dienen dazu, die tatsächlich erreichte Qualität zu prüfen. Diese Maßnahmen decken nicht nur mögliche Qualitätsmängel auf, sondern dokumentieren auch die Erreichung der definierten Qualitätsziele. Analytische Maßnahmen werden nicht nur am Ende einer Phase zur Überprüfung des Ergebnisses eingesetzt, sondern auch zur Prüfung von Zwischenergebnissen. Dies verhindert, dass sich anfängliche Fehler im System ausbreiten.
4. Checklisten und Vorgaben erarbeiten
Vorgaben und Checklisten konkretisieren die Qualitätsziele, -kriterien und -maßnahmen.
- Vorgaben dienen im Wesentlichen dazu, die konstruktiven Qualitätssicherungsmaßnahmen zu unterstützen. Beispielsweise werden Vorlagen für Dokumenttypen erstellt, die eine vollständige inhaltliche Abdeckung gewährleisten und zudem eine geeignete Strukturierung vorgeben.
- Checklisten unterstützen sowohl konstruktive als auch analytische Qualitätssicherungsmaßnahmen. Beispielsweise sorgt eine Checkliste im Anforderungs- und Änderungsmanagement bereits vor der Umsetzung einer Änderung dafür, dass sie in allen relevanten Prozessen und Ergebnissen berücksichtigt wird. Analytischen Zwecken dienen z. B. Checklisten, die beim Review von Dokumenten die Prüfung aller für das Dokument vereinbarten Qualitätsziele und -kriterien sicherstellen.
Praxistipp 9-1: Festlegen gesamtprojektübergreifender Qualitätsniveaus
Im Großprojekt sorgen Vorgaben und Checklisten auch für die Sicherstellung eines einheitlichen Qualitätslevels im Gesamtprojekt, indem deren Anwendung für alle Teilprojekte über Organisationseinheits- und Ministerien-/Firmengrenzen hinweg verbindlich vereinbart wird.
9.2.2 Laufender Prozess „Laufendes Qualitätsmanagement“
1. Qualitätssicherungsplanung aufstellen und aktualisieren
Die im Qualitätsmanagementhandbuch enthaltenen Maßnahmen werden schließlich konkret für jeden einzelnen Betrachtungsgegenstand geplant. Die Planung enthält alle Aktivitäten, die verantwortlichen Mitarbeitenden und die Termine. Die Planung der Qualitätssicherung erfolgt detailliert in den Teilprojekten und obliegt den verantwortlichen Rollen. Wie bei der Projektplanung ergibt sich der Gesamtplan für die Qualitätssicherung durch Verdichtung und Konsolidierung aus den Detailplänen.
Im Laufe des Projekts muss die Planung für die Qualitätssicherung bei Änderungen aktualisiert werden. Solche Änderungen können sich durch neue Anforderungen (und damit neue Betrachtungsgegenstände) ergeben. Darüber hinaus ergibt sich Änderungsbedarf beim Verfehlen von Qualitätszielen oder aus dem Risikomanagement, sodass neue Maßnahmen zur Qualitätssicherung erforderlich werden.
Generell wird die Planung – wie festgelegt – mit der Projektplanung abgestimmt oder in die Projektplanung integriert.
2. Qualitätssicherungsmaßnahmen durchführen
Die geplanten Maßnahmen werden von den in der Planung vorgesehenen Mitarbeitenden durchgeführt.
Die Durchführung und das daraus resultierende Ergebnis werden in einer Nachweisakte für Qualitätssicherung dokumentiert. Die Nachweisführung enthält zum einen die konkreten Ergebnisse einzelner Maßnahmen (z. B. die Review-Anmerkungen, die ein Prüfer erstellt hat). Zum anderen gibt sie Auskunft über den Status (offen, in Arbeit oder abgeschlossen).
3. Erfolg des Qualitätsmanagements prüfen und Maßnahmen aufsetzen
Die erreichte Qualität wird regelmäßig geprüft. Entspricht sie nicht den Qualitätszielen, müssen weitere Maßnahmen aufgesetzt werden, um die Erreichung der vorgegebenen Qualitätsziele sicherzustellen. Diese Maßnahmen werden mit den verantwortlichen Mitarbeitenden abgestimmt. Sie führen normalerweise zur Anpassung der Planung für Qualitätssicherung und des Projektplans.
Praxistipp 9-2: Nachweisführung als Unterstützung zur Gesamtprojektprognose
Im Großprojekt liefert die Nachweisführung für die Qualitätssicherung wichtige Hinweise für die Prognose der Erreichung der Projektziele insgesamt. Dazu werden die Details aus der Nachweisakte auf Gesamtprojektebene verdichtet. Beispielsweise liefern Anzahl und Schwere der im Test gefundenen Fehler einen Hinweis auf den noch benötigten Restaufwand.
9.3 Ergebnisdokumente
Wesentliche Ergebnisdokumente des Qualitätsmanagements sind:
- Qualitätsmanagement-Handbuch: Beschreibt Organisation, Prozesse und Werkzeuge des Qualitätsmanagements im Projekt, identifiziert die vom Qualitätsmanagement zu betrachtenden Projektergebnisse und -prozesse (Betrachtungsgegenstände), definiert Qualitätsziele und -kriterien sowie die je Betrachtungsgegenstand durchzuführenden QS-Maßnahmen.
- Qualitätssicherungs-Plan: Enthält die aus dem Qualitätsmanagement-Handbuch abgeleiteten konkreten Aufgaben, Termine und verantwortlichen Mitarbeitenden für die Maßnahmen zur Qualitätssicherung.
- Qualitätssicherung-Nachweisakte: Enthält die Dokumentation zu Status und Ergebnissen aller durchgeführten Maßnahmen zur Qualitätssicherung (insbesondere QS-Berichte, Prüfspezifikationen und Prüfprotokolle).
9.4 Rollen
Rolle | Funktion |
---|---|
Gesamtprojektleiterin, Gesamtprojektleiter | Trägt Gesamtverantwortung für die Projektergebnisse und Projektprozesse, somit auch für die Qualität.
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Verantwortliche Person für Qualitätssicherung (Gesamt-/Teilprojekt-Ebene) | Trägt die Verantwortung für Durchführung des Qualitätsmanagements im Projekt bzw. Teilprojekt.
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Testmanagement und Testteam (in IT-Projekten relevant) | Sorgen in Abstimmung mit der für Qualitätssicherung verantwortlichen Person für Konzeption, Planung, Vorbereitung und Durchführung der Tests, die Bestandteil des Qualitätsmanagement-Handbuchs und der Planung für die Qualitätssicherung sind. |
Tabelle 12: Rollen und Funktionen im Qualitätsmanagement |
9.5 Erfolgsmessgrößen
Die Auftraggeberseite kann ein erfolgreiches Qualitätsmanagement an qualitativen und quantitativen Kriterien messen.
Als qualitative Messgrößen sind beispielsweise folgende Prüffragen möglich:
- Sind alle vertraglich vereinbarten Ergebnisse und alle Projektprozesse durch das Qualitäts-management erfasst?
- Existieren zu wichtigen Prozessen und Ergebnissen qualitätsbezogene Checklisten und Vorlagen?
- Sind sowohl konstruktive als auch analytische Maßnahmen geplant?
- Ist das Qualitätsmanagement auf allen Ebenen des Projekts und auf Auftragnehmer und Auftraggeberseite durch Verantwortliche verankert?
Als quantitative Messgrößen sind folgende Kennzahlen denkbar:
- Wie hoch ist die Anzahl der im Projekt geplanten Audits im Vergleich zur Anzahl der Teil-projekte (je Teilprojekt mindestens beim Aufsetzen und während der Laufzeit sinnvoll)?
- Wie hoch ist die Anzahl der im Rahmen geplanter Prüfmaßnahmen gefundenen schweren Defekte oder Fehler?
- Wie hoch ist Anzahl der gefundenen Defekte oder Fehler, die außerhalb durchgeführter Maßnahmen entdeckt wurden?