Interviewreihe Open Data:
Teil 1: Prof. Dr. Schulten (HS Bund)
Interview mit Prof. Dr. Schulten von der Hochschule des Bundes in Brühl.
Professor Dr. Markus Schulten (Hochschule des Bundes) - Copyright Hochschule des Bundes
Herr Professor Dr. Schulten lehrt Staats- und Verfassungsrecht (inkl. Europarecht) an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung in Brühl im Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung. Daneben unterrichtet er auch Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht sowie Rechtsmethodik. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Verfassungsrecht, insbesondere Religionsverfassungsrecht und Verwaltungsrecht (hier: Verwaltungsdigitalisierung). Zudem koordiniert er diverse Module in den Studiengängen der HS Bund.
Das CCOD unterstützt die Lehre an der HS Bund regelmäßig durch Gastvorträge und Workshops.*
Gebäude der Hochschule des Bundes - Frontaufnahme Copyright Hochschule des Bundes
1. Frage: Wie wichtig ist Ihnen das Thema offene Daten?
Für mich persönlich ist OpenData ein enorm wichtiges Thema, dem sich die Bundesverwaltung und natürlich auch unsere Hochschule weiterhin aktiv widmen müssen. Wir dürfen uns diesem Phänomen nicht verschließen, daher begrüße ich auch nachdrücklich die Tätigkeit von Einrichtungen bzw. Teams wie dem CCOD.
Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass hier nicht nur Sacharbeit, sondern v.a. massive Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Die Unkenntnis über die Thematik „OpenData“ ist doch stellenweise erschreckend – völlig unabhängig übrigens vom Alter oder der Technikaffinität der in der Verwaltung Beschäftigten.
Hier an der HS Bund in Brühl haben wir die Wichtigkeit des Themas erkannt und versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten, OpenData als Unterrichtsgegenstand zu vermitteln und erlebbar zu machen.
2. Frage: Wo sehen Sie die Herausforderungen bei Open Data?
Aktuell sehe ich v.a. drei große Herausforderungen:
Erstens muss der Datenpool kontinuierlich vergrößert und miteinander verknüpft werden. Öffentliche und private Player könnten noch mehr offene Daten zur Verfügung stellen. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von Anfang 2024 wurde treffend von „vorsichtiger Neugier“ gesprochen, um die Einstellung der Unternehmen zu OpenData zu beschreiben. Man erkennt dort zwar den Nutzen, z.B. die Einsparung von Ressourcen, schnellere Entscheidungsprozesse und neue Produktentwicklungsmöglichkeiten, sieht aber auch gewisse Hindernisse, nicht zuletzt aufgrund überschaubarer Ressourcen, aus Perspektive des Datenschutzes sowie der Wahrung von Betriebsgeheimnissen.
Diese fehlenden personellen und infrastrukturellen Kapazitäten wirken sich unmittelbar auf den zweiten Aspekt aus: der regelmäßigen Veröffentlichung und Pflege von qualitativ hochwertigen offenen Daten. Der behördeninterne Bereitstellungsprozess der Identifikation, Aufbereitung, Veröffentlichung und Pflege von Daten ist in vielfacher Hinsicht herausfordernd. Yanik Elixmann und Sascha Kraus (vgl. Open Data in der Verwaltungspraxis, in: Krause / Schachtner / Thapa [Hrsg.], Handbuch der Digitalisierung der Verwaltung, Bielefeld 2023, S. 191 [196 ff.]) haben differenziert in politisch-rechtliche, organisatorische und technische Barrieren. Stark verkürzt betonen sie, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen von OpenData nach wie vor unzureichend sind, Zuständigkeits- und Ressourcenfragen ungeklärt bleiben sowie die IT-Grundstrukturen nach wie vor nicht immer leistungsfähig genug sind.
Gravierender – drittens – ist aber sicherlich der Aspekt der Missbrauchsprävention. Wer Daten offenlegt und sie damit dem ungeschützten Zugriff Dritter aussetzt, hat ein veritables Eigeninteresse daran, dass diese Daten nicht manipuliert werden oder von Akteuren abgegriffen werden, die damit weniger Gutes beabsichtigen. Je mehr Daten publiziert werden, desto einfacher können auch missbräuchlich agierende Personen oder Unternehmen den Versuch einer zusätzlichen Verknüpfung von Daten (sog. linked open data) wagen, wodurch die Risiken steigen, dass die Anonymisierung aufgehoben wird. Und die Angst, dass personenscharfe Benutzerprofile von Menschen angelegt und kommerziell genutzt werden, ist durchaus begründet. Auch das Thema Datenethik ist in diesem Kontext zu nennen.
3. Frage: Wie können wir den nachfolgenden Generationen an Verwaltungsmitarbeitenden die Wichtigkeit von Open Data näherbringen?
Indem wir das Credo pflegen: „Tut Gutes und redet darüber!“ Zum einen muss regelmäßig informiert und ggf. geschult werden, worum es bei OpenData geht. Sodann sollten vernünftige „Use Cases“ entwickelt und genutzt werden, die – nicht nur den Verwaltungsmitarbeitenden – den Mehrwert der entstehenden Applikationen und Projekte vor Augen führen. Dazu bedarf es einer adressatengerechten Aufbereitung der Thematik.
Einrichtungen und Institutionen wie das OpenData-Team sollten weiterhin in dieser Richtung segensreich wirken. Je nach dem, welche weiteren Projekte man umsetzen kann, sind Verwaltungsmitarbeitende gut beraten, sich auch in diese Richtung individuell fortzubilden.
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4. Frage: Wie kann das Thema Offene Daten dafür noch besser ins Curriculum integriert werden?
Hier sprechen Sie einen fortlaufenden Diskussionsprozess an, den wir im Rahmen der unterschiedlichen Studiengangsentwicklungen führen. Wir müssen uns – ausgehend von den unterschiedlichen Ausbildungs- und Anforderungsprofilen unserer Studiengänge – fortlaufend die Frage stellen, in welchem Rahmen praktische und theoretische Kenntnisse zu OpenData nützlich sind.
Primär werden Fragen rund um OpenData in unserem speziellen Studiengang „Digital Administration and Cyber Security“ (kurz DACS) mit viel Engagement seitens der Kolleginnen und Kollegen bereits behandelt. Hier geht es sowohl um die rechtlichen Grundlagen als auch um praktische Anwendungsbeispiele. So müssen die Studierenden z.B. Studierenden im Modul Web- und App-Entwicklung eine Web-Anwendung programmieren und hier als Datengrundlage offen verfügbare Daten verwenden.
Unser Masterstudiengang, der sich an die zukünftigen Führungskräfte richtet, bezieht derlei Fragen bislang im Rahmen von Wahlmodulen im Bereich Verwaltungsdigitalisierung mit ein. Hier ist aber in der curricularen Entwicklung die ein oder andere neue Schwerpunktsetzung geplant.
Ganz ähnlich verhält es sich in unserem grundlegenden Studiengang „Verwaltungsmanagement“ im Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung. Dort wird Open Data z.B. im Rahmen eines Wahlmoduls zu KI und Data Literacy thematisiert.
Ich persönlich kann das Thema unter dem Aspekt „Verwaltungsdigitalisierung“ in meinen Veranstaltungen zum Allgemeinen Verwaltungsrecht platzieren, wenn es um die allgemeinen Rechtsgrundlagen wie das OZG oder die E-Government-Gesetze von Bund und Ländern geht. Insbesondere § 12a EGovG ist in diesem Kontext zu nennen. Das ist bislang – dem juristischen Metier wie dem Gesamtkontext geschuldet – natürlich noch stark theorielastig, aber das muss ja nicht so bleiben. Im Rahmen unserer derzeit laufenden Curriculumsreform wird dies thematisiert.
Konstruktiv-kritisch begleite ich darüber hinaus gemeinsam mit der Kollegin Prof. Dr. iur. Ilka Klöckner und dem Kollegen Prof. Dr. iur. Michael Gindler, llm. und Kollegen die aktuellen Entwicklungen der Verwaltungsdigitalisierung mit dem von uns initiierten „Center for Digital Public Administration“ (CEDIPA). Hier können wir auch außerhalb curricularer Umstrukturierungsprozesse beraten, inwieweit neue Entwicklungen, wie OpenData, auch in unseren grundlegenden Vorlesungen und Modulen besprochen werden können.
5. Frage: Wie sehen Sie die Zukunft von offenen Daten?
Zukunftsprognosen sind natürlich immer mit Unwägbarkeiten verbunden. Ich würde mir natürlich eine noch bessere Verzahnung der zur Verfügung stehenden Datenbanken und einen strukturierteren Austausch auf Ebene der Bundesverwaltung wünschen. Auch die Verbindung mit KI-Sprachmodulen verspricht neue Möglichkeiten.
Einen echten Mehrwert dürfte die wirtschaftliche Wertschöpfung darstellen, wenn Sie etwa an SmartCity-Projekte, selbstlernende KI-Systeme oder die umfassende Nutzung von Geodaten denken.
Ferner könnte man – wie dies ja auch schon geschieht (siehe dazu etwa Heiko Richter, Transparenzgesetz des Bundes und „Recht auf Open Data“, ZGI 2023, S. 159 ff. (Teil 1); S. 213 ff.]) – über die Fusionierung der nationalen Informationsfreiheitsgesetze mit einer OpenData-Gesetzgebung nachdenken und ein subjektiv-öffentliches Recht auf OD diskutieren.
Ich sehe die Nutzung von OpenData als Beginn einer Reise – Anzahl und Verweildauer auf den Zwischenetappen hängen von den personellen und v.a. finanziellen Ressourcen ab, die unser Gemeinwesen zu erbringen bereit ist.
6. Frage: Wenn Geld keine Rolle spielt, was würden Sie ändern, damit Open Data mehr in der Mitte der Verwaltung ankommt?
Es ist zwar noch ein wenig früh für Weihnachtswünsche, aber wenn Geld keinerlei Rolle spielen würde (und ein gemeinsamer politischer Gestaltungswille in Bund und Ländern vorhanden wäre), würde ich einen großen föderalen Digitalisierungskongress anregen, der
- eine klare, widerspruchsfreie und politisch realistische Linie vorgibt, in welche Richtung wir Digitalisierung generell entwickeln wollen,
- die rechtlichen Vorgaben benennt und zeitnah umsetzbar bereitstellt und
- last but not least – über entsprechende Finanzmittel verfügen kann. Bund und Länder haben die Bedeutung der Digitalisierung der Verwaltung erkannt – aber die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel stehen in keinem Verhältnis zur Größe der Aufgabe.
In der Mitte der Verwaltung kommt die Nutzung von OpenData dann an, wenn wir eine offene Kultur des Datenzugangs fördern, die in allen Ebenen der Verwaltung verankert ist. Dies könnte man durch umfangreiche Schulungen und Workshops erreichen. Sinnvoll wäre auch eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und externen Experten, um neue Perspektiven und Best Practices zu integrieren. Hinter all‘ dem steht der Gedanke, dass der offene Zugang zu Daten die Transparenz und die Effizienz der Verwaltung steigern kann – und damit doch unmittelbar dem Gemeinwohl dient!
* Im Nachgang zum letzten Open Data Workshop des CCODs an der HS Bund ist dieses Interview mit Herrn Prof. Dr. Schulten geführt worden.
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Stand 25.02.2025